Cover
Titel
Rom am Bodensee. Die Zeit des Konstanzer Konzils


Herausgeber
Volkart, Silvia
Reihe
Der Thurgau im späten Mittelalter 1
Erschienen
Zürich 2014: Neue Zürcher Zeitung - Buchverlag
Anzahl Seiten
235 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
David Neuhold

Wir haben es hier mit einem sehr schönen, qualitativ hochwertigen Buch (mit Lesebändchen!) zu tun. Das Layout ist ausgezeichnet, die Bebilderung nicht nur illustrativ, sondern auch inhaltlich − oftmals stringent in den Text hineinverflochten − ein grosser Gewinn, und zudem sind die kurzen Beiträge, einzeln lesbar, aber auch im Gesamt, sehr ertragreich, sodass man den Band nach der Lektüre mit Freude beiseite legt, um später wieder einen Blick hinein zu werfen. 13 Autorinnen und Autoren trugen zum Gelingen des Bandes bei.

«Rom am Bodensee», eine Allusion an das Konstanzer Konzil, wie der Untertitel es auch klar macht, und dessen kurzzeitige zentrale europäische Lage, bietet lokalhistorische Perspektiven, v.a. auf den Thurgau rund um die Appenzeller-Kriege (Kapitel I) und die Auswirkungen der Kirchenversammlung auf diesen Landstrich (Kapitel V), blickt in Kapitel II in interessanten Miniatur-Aufnahmen auf den «Weg hin zum Konzil», indem der dynamische dem Treffen vorgelagerte Charakter der Anreise zum Grossereignis – im Speziellen vom italienischen Raum her – in den Blick kommt. Kapitel III und IV verschreiben sich der Konzilsstadt Konstanz, prosopografische Zugänge und solche der Alltagsgeschichte (vgl. «Ein Blick in die Küche», 137) ergänzen sich darin hervorragend.

Besonders interessant dünkt dem Rezensenten das Kapitel VI, wo das «Konzil als Inspirationsquelle» thematisiert wird. Den indirekten Folgen und Rezeptionen sowie der Wirkungs- und Rahmengeschichte eines Ereignisses wird hier an Beispielen angegangen. Da geht es etwa auch um italienische Humanisten, die im Gefolge des Papsttrosses nördlich der Alpen nach Hand- und Inschriften Ausschau hielten, bzw. diese zu neuem Leben erweckten. Poggio Bracciolini (1380− 1459) und Leonardo Bruni (ca. 1370− 1444) etwa. Die Herausgeberin des Bandes zeichnet eine spannende, literarische Geschichte einer dem Klosterleben, ganz im Stile des ausgehenden 19. Jahrhunderts, nicht gerade wohl gesonnenen Novelle von Conrad Ferdinand Meyer (Plautus im Nonnenkloster, 1882) nach. In dieser von Volkart aufgegriffenen Erzählung fliessen Geschichte und Fiktion ineinander. Ob man Johannes XXIII. nach seiner Absetzung durch das Konzil als «Gefangenen der Kurie» bezeichnen kann, sei dahingestellt (179). Ein ganz kleiner Fehler hat sich in einem das Lateinische beiziehende Zitat von Meyer eingeschlichen, da muss es heissen «scelera horrenda», statt «scelera horrende» (180 – in: Sämtliche Werke Meyers nachgeprüft, Band XI [Novellen I], Bern 1959, 155). Es ist ein spannender Beitrag der Herausgeberin und sie doppelt anschliessend nach: Da bezieht Volkart sich auf Brigitta von Schweden und ihre Rezeption auch im Bodenseeraum rund um das Konzil. Die Literati der Zeit, u.a. Jean Gerson von der intellektuellen Instanz der Zeit schlechthin, der Theologischen Fakultät in Paris, und ein zentraler Akteur des Konzils, waren prophetisch aktiven Frauengestalten gegenüber kritisch eingestellt (so auch später Jeanne d’Arc), er zweifelte «grundsätzlich an ihrer Fähigkeit göttliche Eingebungen zu empfangen. Damit [mit dessen Schrift De probatione spirituum] lieferte er Stoff für eine Diskussion, die in kirchlichen Kreisen schon seit Längerem im Gang war und sich explizit gegen prophetische-visionäre Frauen richtete» (189). Volkart gelingt es gut, diesen für die Kirchengeschichte insgesamt, so z.B. auch wieder im 19. Jahrhundert im grossen Stile relevanten Sachverhalt exemplarisch darzustellen. Freilich wurde Brigitta nicht am Konstanzer Konzil heiliggesprochen, wie es auf S. 189 heisst (vgl. mit richtiger Angabe in Textbox S. 187, nämlich 1391). Volkart öffnet mit ihren kreativen Beiträgen geschichtliche Horizonte – von kleinen «Dingen» (wie der Hand- oder Pilgertasche Brigittas), die sie behutsam aufgreift, ausgehend. Da macht das Lesen und Schauen Spass.

Wie schon anfangs angetönt überzeugt die Aufmachung, aber auch die inhaltliche Qualität des Buches – über die Ausgestaltung des Anmerkungsapparats im Anhang (201−215 für alle Beiträge gemeinsam, mit Kurzzitation) liesse sich wohl streiten –, aber insgesamt haben wir es mit einem sorgfältig gearbeiteten Werk zu tun, das sich auch in den eigens gestalteten Rubriken, in roter Schriftfarbe gehaltenen Textboxen, Ausdruck verschafft. Es sind dies erklärende Textpassagen der weiterführende Vertiefung bzw. des nötigen Hintergrundwissens, so z.B. auf S. 101: «Was ist ein Konzil?» Eine gute Frage. Dass dabei in der Aufzählung das V. Laterankonzil vernachlässigt wird, ist nachvollziehbar, weniger aber, dass das I. Vatikanum nicht erwähnt wurde. Es könnte freilich so argumentiert werden, dass es mit dem II. Vatikanum 1965 zum Abschluss kam, was aber gewagt sein dürfte. Vielleicht wollte man es aber auch nicht erwähnen – wofür es je nach Sichtweise gute Gründe gibt –, oder aber es handelt sich – wohl ungewollt und der Realität entsprechend – um eine unbeabsichtigte Auslassung.

Was sicher schon vor dem Abschluss dieser Rezension der Fall ist, ist dem Band, und auch den Inhalten sehr zu wünschen: eine breite Leserschaft! Gerade auch in unserer manchmal schnelllebigen und ahistorischen Zeit. Auch auf die weiteren ren drei Bände der Reihe «Der Thurgau im späten Mittelalter» darf man/frau gespannt sein.

Zitierweise:
David Neuhold: Rezension zu: Silvia Volkart (Hg.), Rom am Bodensee. Die Zeit des Konstanzer Konzils (= Der Thurgau im späten Mittelalter 1), Zürich, Verlag NZZ, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions und Kulturgeschichte, Vol. 109, 2015, S. 432-434.

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